von Maximilian Lowisch, HTWK Leipzig
Mit seinem nun erschienenen Buch setzt der Münchner Philosoph und ehemalige SPD-Kulturstaatssekretär Julian Nida-Rümelin während der Regierung Schröder ein Zeichen gegen die allenthalben zu vernehmenden Rufe nach mehr Akademikern. Die leider viel zu kurze Diskussion nutze Nida-Rümelin dazu, darauf aufmerksam zu machen, dass die Arbeitslosigkeit in den drei Ländern mit einem dualen Ausbildungssystem in Europa – Deutschland, Österreich und die Schweiz – ausgesprochen gering sei im Vergleich zu den Ländern ohne ein solches System. Es müsse die Frage gestellt werden, warum dies so sei. Landauf, landab hieße es, dass eine möglichst hohe Bildung ein einträgliches oder gar höheres Einkommen sichere. Die Arbeitslosigkeit in Ländern wie Großbritannien, die eine besonders hohe Akademikerquote haben, sei jedoch wesentlich höher als in Deutschland. Für Deutschland sagten die Statistiken gar, dass gut ausgebildete Handwerker und Techniker ein rund 200 Euro höheres Einkommen hätten als Geisteswissenschaftler. Die einfache Gleichung „hohe Bildung = hohes Einkommen“ gehe so also nicht auf. Eine Verschwendung von Talenten sei es darüber hinaus, wenn Menschen, deren Begabungen viel praktischer lägen, zu einem Hochschulstudium gedrängt würden und es hinterher abbrechen müssten. Genauso verwehrte er sich des Arguments, er argumentiere aus einer „bildungsbürgerlichen Sicht“ stamme er doch selbst aus einer Handwerkerfamilie, was er sehr gelungen veranschaulichte. So habe in der Welt seines Vater einer, der kein Regal bauen könne – und dabei ist kein Bausatz gemeint – als nicht gebildet gegolten. Das ab und an auftauchende Unwohlsein über das Dasein als Schreibtischhengst, der im Ernstfall nicht wüsste, wie er den Strom wieder anbekommt, wurde durch diese Aussage natürlich geradezu katapultiert.
Als Bibliothekar, dessen Beruf seit etwas hundert Jahren der Akademisierung unterliegt, sprich von der Schule zur Fachschule zur Hochschule, und in dessen Disziplin sogar promoviert werden kann, muss die hier besprochene Veranstaltung mit einem besonderen Interesse betrachtet werden. Ein Beruf institutionalisiert sich vor allem durch entsprechende Ausbildungsgänge und je höher diese angesiedelt sind, desto höher, so könnte erwartet werden, ist deren Ansehen und Bezahlung. Tendenzen zur Akademisierung von Berufen beschrieb auch Nida-Rümelin und stellte die ketzerische Frage, warum Erzieherinnen und Erzieher in Krippen ein Hochschulstudium brauchten. Viel wichtiger sei hier die soziale Kompetenz. Bei den Bibliothekaren ist das subjektive Gefühl ein ganz anderes: Trotz Hochschulstudium, Bachelor, Master, ja sogar der Möglichkeit zu promovieren verursacht es immer noch Verwunderung bei vielen Menschen, wenn sie erfahren, dass Bibliothekare ein Studium zu bestreiten haben. Diese gefühlte Nicht-Aufwertung des Berufs durch seine Akademisierung wird von einer Bezahlung am unterst möglichen Rand für Hochschulabsolventen im öffentlichen Dienst flankiert. Da ist auch die Debatte rund um den Fachwirt für Informationsdienste, der den FaMI auf das Qualifikations- oder zumindest Gehaltsniveau des Bibliothekars heben soll. Und hier setzt wieder Nida-Rümelin an, indem er bemängelt, dass Ausbildungsberufe zu wenig geschätzt werden und deshalb immer mehr Menschen studieren bzw. nach der Ausbildung ein Studium aufnehmen. Müssten also nicht vielmehr Gehalt und Ansehen der FaMIs aus ihrem teilweise desolaten Tief sowie deren Aufgaben in manchen Bibliotheken als reine „Foliier- und Einstellsklaven“ auf ein annehmbares Niveau gehoben werden, anstatt auch im Bibliothekswesen einen Run um die höchsten Abschlüsse zu fördern, bei dem zum Schluss Masterabsolvent werden muss, wer noch eine E9-Stelle erhalten will, weil für diese Abschlüsse sonst keine adäquaten Stellen zur Verfügung stehen und MAs den bibliothekarischen Stellenmarkt auf der Ebene des gehobenen Dienstes besetzen? Die Podiumsdiskussion und Nida-Rümelins Buch haben diese Fragen wieder einmal drängend ins Gedächtnis gebracht und Denkanstöße geliefert.