FaMI – und dann? Perspektiven nach der Ausbildung

Podiumsdiskussion der LIS-Corner auf der Frankfurter Buchmesse 2013

von Maximilian Lowisch und Franziska Weber

”Es geht um Ihre Zukunft!”[i] heißt es 2009 zum zehnjährigen Bestehen des Ausbildungsberufs. Ermunternd oder warnend – der Ausruf von Zick lässt sich mannigfaltig deuten und beides kann bei Betrachtung der Literatur zum FaMI als durchaus begründet gelten, denn was Bibliotheken bzw. deren Träger unter ”[…] Personal, das den gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen an Mobilität und Lernfähigkeit entspricht”[ii] verstehen, kann sich sehr unterschiedlich bei Bezahlung und Tätigkeitsspektrum niederschlagen. Von der ”Thekenkraft” bis zum ”Bibliotheksmanager”[iii] sind der Tätigkeitsbeschreibung (fast) keine Grenzen gesetzt. Dass entweder die Bezahlung nicht mit der Tätigkeitsbeschreibung oder die Tätigkeitsbeschreibung nicht mit dem Ausbildungsprofil übereinstimmt, ist nach knapp 15 Jahren FaMI im Bibliothekswesen nicht einmal mehr ein offenes Geheimnis. Für die FaMIs, die sich bei der Berufswahl nicht abschrecken ließen und nun erst Zicks Ausruf lesen, kann es nur darum gehen, sich dazu ermuntern zu lassen, aus dem gewohnten FaMI-Tätigkeits- und Entgeltspektrum auszubrechen und den Aufstieg zu versuchen.

Alljährlich nimmt die LIS-Corner ein Thema aus dem Bereich der bibliothekarischen Ausbildung auf, um es im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit Experten[iv], Studierenden und dem Publikum zu diskutieren. In diesem Jahr sollte im Mittelpunkt des Interesses stehen, welche Möglichkeiten FaMIs nach ihrer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung nutzen können, um sich weiterzuqualifizieren und damit ihr Aufgabenspektrum und/oder ihre Einkommensmöglichkeiten zu erweitern. Nicht nur, weil der Messestand der FaMIs der Frankfurter Stauffenbergschule jedes Jahr direkt neben der LIS-Corner-Fläche positioniert ist, lag es nahe, diese Diskussion in Kooperation mit den Auszubildenden zusammen zu gestalten.

Im Gespräch mit Karin Holste-Flinspach (Lehrerin an der Stauffenbergschule, Frankfurt am Main), Petra Schneider (FaMI und Absvolventin des Hessischen Fachwirtlehrgangs, UB Frankfurt am Main), Prof. Tom Becker (FH Köln) und Christoph Schwarz (Bibliotheksasisstent, Diplom-Bibliothekar sowie MA in Bibliotheks- und Informationswissenschaft, UB Gießen) gingen Naomi Reitelshöfer (Stauffenbergschule, Frankfurt am Main) und Maximilian Lowisch (FH Köln) den unterschiedlichen Fragen, die sich FaMIs nach der Ausbildung stellen, auf den Grund.

Zunächst beschäftigte die Diskutanten die Frage, warum das Angebot eines Fachwirtlehrgangs notwendig wurde, obwohl Studienmöglichkeiten im Bereich der Bibliotheks- und Informationswissenschaft bereits existierten. Holste-Flinspach verdeutlichte daraufhin, dass der Lehrgang durchaus notwendig sei, um jedem, unabhängig von seinem Schulabschluss, eine Weiterbildungsmöglichkeit anbieten zu können.

Schneider bestätigte die Aussage und fügte hinzu, dass der Fachwirt ideal für FaMIs sei und sich Lehrgang und Beruf auf diesem Weg perfekt vereinbaren ließen. Eine Zulassung könne grundsätzlich jeder erhalten, der eine Berufserfahrung und eine Ausbildung im Bereich des Bibliothekswesens nachweisen kann. Abhängig von der Abschlussnote, müsse jedoch unter Umständen mit einer Wartezeit gerechnet werden. Die Dauer des Lehrganges beläuft sich auf 2,5 Jahre und der Unterricht findet in der Regel freitags und samstags, angepasst an die Berufstätigkeit der Lehrgangsteilnehmer, statt. Auf die Frage, ob es für den langjährig Berufstätigen nicht ein Erschwernis sei, sich ins schulische Lernen wieder einzufinden, antwortete Schneider, dass es für sie unproblematisch gewesen sei, sich nach ihrer praktischen Tätigkeit wieder ans Lernen zu gewöhnen.

Schwarz konnte sich dieser Aussage anschließen, gelänge die Gewöhnung an das Studium doch relativ schnell. Ihm sei zudem noch Zeit für einen Nebenjob geblieben. Dass die Aussagen der beiden Diskutanten nicht auf jeden zutreffen, darf als verständlich gelten: Individuelle Lebensumstände können Studium bzw. Weiterbildung zu einer möglicherweise unkalkulierbaren Herausforderung machen.

Im Anschluss kam die Frage nach der Zukunft des Fachwirts und dessen Verortung im bibliothekarischen Berufsspektrum auf. Holste-Flinspach betonte deutlich, dass eine Gleichstellung mit den Bachelor-Abschlüssen erreicht werden müsse. Ebenfalls müsse sich die Weiterbildung später finanziell positiv für die Absolventen auswirken. Hier bestünde somit noch Handlungsbedarf. Abschluss und Beförderung müssten keinen Kausalzusammenhang bilden. Dies sei von Arbeitgeber zu Arbeitgeber sehr unterschiedlich.

Ähnlich sieht es auch bei der Unterstützung aus. Hier sprach sich Becker für ein offenes Vorgehen gegenüber den Vorgesetzten aus. Durch Belastungen wie Abschlussarbeiten, Klausurphasen und Hausarbeiten sei manchmal eine Reduzierung der Wochenarbeitsstunden notwendig. Außerdem sei es teilweise erforderlich, die Arbeitszeiten flexibler zu gestalten. In diesen Fällen sei es unumgänglich den Rückhalt seiner Bibliothek zu haben.

Aber wie sollte man reagieren, wenn keine Hilfe seitens des Arbeitgebers in Aussicht gestellt wird?  Hierzu gab es eine klare Meinung von  Becker: „Arbeitgeber wechseln“, war seine deutliche und knappe Antwort. Natürlich muss dies immer im Einzelfall entschieden werden. Zudem gibt es durchaus gute Argumente, um die Bibliotheksleitung davon zu überzeugen, einem Mitarbeiter die Weiterbildung oder das Studium zu ermöglichen. Beispielsweise seien die verschiedenen Projektarbeiten während Studium und Weiterbildung ein Gewinn für jede Bibliothek, so Becker.

Ein Problem sieht Holste-Flinspach auch in der fehlenden Kenntnis über mögliche Förderungsgelder, die BibliotheksmitarbeiterInnen beantragen können.

Auf die Frage, welcher Weg der bessere sei, riet Becker allen Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste zum Studium, räumte aber gleichzeitig ein, dass es letztendlich eine individuelle Entscheidung sei, die jeder für sich selbst treffen müsse.

Keine zwingende Voraussetzung für ein Studium, ist die (Fach-)Hochschulreife. Einige Hochschulen in Deutschland bieten den entsprechenden Studiengang, ohne Abitur als Zugangsvoraussetzung, an. Allerdings werden in diesen Fällen andere Qualifikationen, wie z.B. eine mehrjährige Berufserfahrung, benötigt.

Dass es FaMIs im Studium leichter hätten, höre man immer wieder, wie von der Moderation eingeworfen wurde. Was sei aber dran an dieser Aussage? Schwarz versicherte, dass fachliche Vorkenntnisse im Studium das Verstehen der einzelnen Module erleichtern würden, was Schneider für die Fachwirtausbildung ebenfalls bestätigt.

Unbestritten sind jedoch der höhere Arbeitsaufwand und die Qualität innerhalb des Studiums, genauso wie die Quantität an gebotenen Wahlmöglichkeiten.

Nach dem Abschluss des Studiums veränderten sich die Tätigkeitsgebiete im Vergleich zu denen des Bibliotheksassistenten erheblich. Schwarz wurden mehr Verantwortungsbereiche und die Personalbetreuung übertragen, was sich bei seiner Eingruppierung bemerkbar machte. Hierfür müssten natürlich entsprechende Stellen vorhanden sein.

Zustimmung zu diesen Aussagen kamen von Holste-Flinspach und Becker. Es sollte ein „Geben und Nehmen“ von beiden Seiten sein. Unter Umständen sei langfristig gesehen jedoch ein Arbeitgeberwechsel notwendig, falls eine bessere Stelle in Aussicht und vor Ort keine Entwicklungsperspektiven gegeben seien.  Eine gewisse Fluktuation sei in Bibliotheken normal und notwendig. Welche Eingruppierung Fachwirte und Master-Absolventen allerdings nach ihrem Abschluss erhalten, ist noch nicht eindeutig geregelt. Diese Einschätzung von Becker, kann Schwarz bestätigen. Auch ihm sind ehemalige Kommilitonen bekannt, die nach ihrem Master-Abschluss noch immer auf eine Höhergruppierung warten. Becker sieht hier zwei Problematiken: Einerseits stellt es viele Bibliotheken vor Herausforderungen, Mitarbeitern, die nach ihrem Abschluss in der Heimatbibliothek verbleiben wollen, kurz- und mittelfristig eine entsprechend bewertete Stelle anzubieten, andererseits kann auch der Wechsel in eine andere Bibliothek mit entsprechender Stelle zunächst eher von Nachteil sind, fällt der Arbeitnehmer doch möglicherweise in eine niedrigere Stufe zurück, was bei langjähriger Betriebszugehörigkeit zur alten Arbeitsstelle zu Einbußen führen kann.

Abschließend stellte sich den Moderatoren noch die Frage, ob eine Konkurrenz zwischen Bachelor-Absolventen und Fachwirten entstehen könne. Da es bisher jedoch nur wenige Fachwirtabsolventen gibt, sehen Holste-Flinspach und Becker diesbezüglich keine Gefahr. Zudem sei eine gewisse Konkurrenz vollkommen normal und auch notwendig.

Ein weiterer positiver Effekt, den Becker nennt, ist die Tatsache, dass das Feld der BibliothekarInnen immer bunter werde. Kreuzqualifikationen seien vor allem in diesem Berufsfeld wichtig und umso erfreulicher findet er, dass seine Studierenden unterschiedliche Erfahrungen, von der Informatik über die Pädagogik bis hin zu medizinischen Berufen mitbringen würden. Eine Bibliothek brauche kein „1D-Personal“, sondern ein Team das unterschiedliche Stärken mitbringt und sich so optimal ergänzen kann.

Gegen Ende formulierte er an die Zuhörer eine persönliche Bitte: Für die Auswahl eines Master-Studiengangs sollten auch bibliotheksfremde Studiengänge in Betracht gezogen werden, um Zusatz- und Kreuzqualifikationen zu erwerben. Das frühzeitige Sammeln von Praxiserfahrungen sei eine herausragende Qualifikation bei der Stellensuche.


[i] Zick, Waltraut: Es geht um Ihre Zukunft! Fortbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten für FaMIs. In: 10 Jahre FaMI – Ein Beruf emanzipiert sich!? Eine Festschrift. Bad Honnef : Bock + Herchen, 2009, S. 128

[ii] Erläuterungen zur Verordnung über die Berufsausbildung zum Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste/ zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste. 2., erweiterte Auflage. – Nürnberg : BW, Bildung-und-Wissen-Verlag, 2001, S. 10

[iii] Schröder, Alexander; Pfob, Sandra; Johannsmeyer, Betty: Mit RAK auf verlorenem Posten…!? Vom FAMI [sic], der auszog, das Erlernte anzuwenden. Ein Erfahrungsbericht. In: GMS Medizin, Bibliothek, Information 7(2007),1, S. 3f

[iv] Aus Gründen der Lesbarkeit wird in diesem Text das generische Maskulinum verwendet.

Zuerst erschienen in: BuB 66(2014),2, S. 93 – 95 Weiterlesen „FaMI – und dann? Perspektiven nach der Ausbildung“