Bachelor – quo vadis?

Die LIS-Corner auf der Frankfurter Buchmesse 2012 zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des bibliothekarischen und informationswissenschaftlichen Studiums

von Maximilian Lowisch, Köln, Charlotte von Bausznern, Berlin, und Gisela Zwiener-Busch, Köln

Im Rahmen der LIS-Corner luden studentische Vertreter auf der Frankfurter Buchmesse 2012 zu Gesprächen rund ums Studium am Hot Spot Professional & Scientific Information. Die LIS-Corner ist der Stand bibliotheks- und in- formationswissenschaftlicher Studierender aus dem deutschsprachigen Raum. Es trafen sich über zwanzig Studierende aus Berlin, Hamburg, Potsdam, Stuttgart, Darmstadt und Köln und informierten interessierte Besucher über ihre Studiengänge und laufende Projekte an den Hochschulen. Das dreistündige, mehrteilige Gespräch am Hot Spot Professional & Scientific Information mit vielen verschiedenen Teilnehmern stand unter dem Motto »Gestern, heute, morgen« und drehte sich um Fragen und Antworten rund ums Studium der Bibliotheks- und Informationswissenschaft.

Für einen scharfen, aber auch wehmütigen Blick aufs Gestern trafen sich Maximilian Lowisch (FH Köln, Mode- ration), Diana Marten, M.A. (bibliothek am meer, Bad Zwischenahn), Dipl.-Bibl. Helmut Obst, MA (Bibliothek der Stiftung Pfennigparade, München) und Gisela Zwiener-Busch (FH Köln, Moderation). Marten und Obst plau- derten aus dem ehemaligen Studienalltag zwischen vergangenen Freiheiten eines Magisterstudierenden, dem regen Austausch zwischen internationalen Masterkommilitonen, bürokratischen Hürden und den Möglichkeiten, sein Studium gezielt in eine eigene Richtung mit Verbindung in die Berufspraxis zu lenken. Einig waren sich beide über die enormen Vorteile von Praxis- und Projektzeiten, allerdings auch über Mängel wie den fehlenden Umgang mit Bibliothekssystemen oder die Auseinandersetzung mit der FaMI-Ausbildung. Die Faszination, die zur Auswahl des Studiums führte, zeigte sich in den Zukunftsvisionen: „Definiert man die Bibliothek nicht nur als Raum mit Büchern, sondern als Kommuni- kationsort, muss man keine Angst vor einem Bibliothekssterben haben“, so Marten. Obst stimmte zu, dass die Bi- bliothek als physischer Ort eminent und lebendig genutzt bleibt. Während Marten den digitalen Entwick- lungen durchaus positiv, aber mit Zurückhaltung gegen- über steht, sind sie für Obst Alltag: „Bei Studienbeginn hatten wir gerade so unsere Rechner am langsamen In- ternet. Jetzt gehört die Verwaltung einer Facebook-Seite für meine OPL dazu. Wenn die Bibliothekare diese Dienste nicht beherrschen, wie sollen unsere Kunden dies dann lernen?“ Wehmut kam auf, als das Gespräch auf ihren aktuellen, kurzgetakteten Berufsalltag kam: Letzte- rer biete, so beide, wenig Raum für die persönliche Be- schäftigung mit aktuellen (Forschungs-)Themen. Beide empfahlen, über den Tellerrand zu schauen, sowie Fach- welt und den vernetzten Publikationsmarkt bereits während des Studiums wahrzunehmen.

Zumindest ein Facettensplitter der Gegenwart präsentierte sich in drei Projektvorträgen aus studentischen Rei- hen: Gisela Zwiener-Busch erläuterte die Funktionen und Entwicklung eines Marketingbaukastens für Bibliotheken, der im Laufe des Jahres auch via http://www.bibliotheksportal. de veröffentlicht werden soll. Er wurde in Kooperation mit dem Masterstudiengang der HAW Hamburg und dem Bachelorstudiengang der FH Köln entwickelt und richtet sich an Bibliotheken, die ihr Marketingkonzept erst auf- bauen oder aber ihr bestehendes überprüfen und überarbeiten wollen.

Kerstin Schröder, MA (FH Köln) lieferte eine umfas- sende Darstellung und Begutachtung der Portfolio-Ana- lyse für Dienstleistungen und Bestand. Schröder kam während ihres Projektes zum Schluss, dass die Portfolio-Analyse mit hohem Informationsgehalt, Verständlichkeit und guter Anwendbarkeit deutlich zu empfehlen sei.

Zum Schluss präsentierten Diana Goldschmitt und Maren Falk (beide HdM Stuttgart) die Organisation der BOBCATSSS 2012 in Amsterdam, ein Projekt, das während drei Semestern von zwei verschiedenen Studiengän- gen sowie Studierenden in den Niederlanden durch- geführt wurde.

In der letzten Runde fanden sich Maximilian Lowisch und Prof. Dr. Ute Krauß-Leichert (HAW Hamburg) auf dem Podium wieder: Aus vergangenen Veranstaltungen während der Messe brannten Fragen nach der Zukunft der Bibliotheken und der Bezeichnung »BibliothekarIn- nen« unter den Nägeln. Vorerst ging es während dieses Gesprächs aber um Sinn und Nutzen der verschiedenen bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Ab- schlüsse. Krauß-Leichert empfahl konsekutive Master für eine Vertiefung von Forschung und fachlichen Interessen und betonte die Notwendigkeit eines solchen Abschlus- ses für Führungspositionen. Die teilweise leider überwiegend monetär begründeten Ratschläge, ob ein Master ans Bachelorstudium angeschlossen werden soll, brach sie auf und riet Studierenden, die sich noch nicht „theo- riegesättigt“ fühlten, ausdrücklich zu einem konsekutiven Masterstudium. Aufgrund des aktuellen Studien- angebots ist ein Ortswechsel für den konsekutiven Master für einige Bachelorabsolventen zwangsweise Rea- lität. Ein solcher Wechsel ist, so Krauß-Leichert, sogar für Fachfremde möglich, wobei ausreichend medienwis- senschaftliche, IT- und BWL-Erfahrungen mitgebracht werden müssten. Überzeugen konnte das Projektsemester des HAW-Masterstudienganges, welches als Forschungs- und Entwicklungsprojekt den Transfer zwischen Theorie und Praxis ermöglicht und großen Erfolg genießt.

Die Zukunft für angehende MA-Praktiker konnte Krauß-Leichert leider nicht vorhersagen. Stellenausschrei- bungen und Tarifbestimmungen deuten allerdings auf eine noch zähe und langsame Entwicklung hin. Eine Lanze brach sie für die FaMI, welche angesichts ihrer fundierten Ausbildung zu geringfügige Tätigkeiten ausführen würden. Wo die zukünftige Grenze zwischen Fachreferenten, FaMI und Bachelorabsolventen jenseits von Personal- managementfragen und Problem- oder Aufgabenorientierung liegen könnte, war auf dem Podium leider nicht zu klären. Krauß-Leichert meinte jedoch, dass bibliothekarische Kompetenzen im Überlebenskampf mit anderen, neuen Konkurrenten auf dem Dienstleistungsmarkt rund um Information weiterhin nicht ins Hintertreffen gerieten. Die Frage, ob es in zehn Jahren noch »BibliothekarInnen« gebe oder ob sich unter einer bereits praktizierten, veränderten Berufsbezeichnung auch andere Qualitäten verbergen, lässt sich aber wohl kaum mit einem Rundumschlag des Allein- stellungsmerkmals „Rundum-Kompetenz“ beantworten.

Auf große Resonanz stießen die Themen beim Publikum. Viele weitere Fragen rund um Bachelor- und Mas- terabschlüsse, aber auch zur FaMI-Ausbildung folgten der Diskussion und zeigten, dass die Zeit nach dem Bachelor an manchen Hochschulen vielleicht zu oft pauschal in der Praxis gesehen wird.

Um der Unsicherheit vieler (angehender) Fachmen- schen zu begegnen und den Diskurs lebendig zu halten, sollen diese Gespräche in breiterer Runde im kommenden Jahr an gleicher Stelle fortgesetzt werden. Ob sich bis dahin weitere Schwerpunkte aus der bibliotheks- und informationswissenschaftlichen Forschung an der Schnittstelle zum Buchmarkt ergeben, die dringend einer studentischen Perspektive bedürfen, darf gerne auf dem LIS-Corner-Weblog weiter verfolgt werden.

Zuerst erschienen in:

Lowisch, Maximilian; Bausznern, Charlotte von; Zwiener-Busch, Gisela: 
Bachelor – quo vadis? Die LIS-Corner auf der Frankfurter Buchmesse 2012 zu Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des bibliothekarischen und informationswissenschaftlichen Studiums. In: IWP 63 (2012), 6, S. 387 – 388

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